In diesem Jahr wurde bekannt, dass Steffen Mühlhäusers Verlag „Steffen Spiele“ von Helvetiq übernommen wird. Und das ist gut so, denn so dürfte das Erbe des kleinen, aber feinen Verlags aus dem Hunsrück würdig weitergeführt werden. Vor einigen Jahren hat Xamra Steffen Mühlhäuser, der nun kürzer treten möchte, besucht. Hier ist der Bericht aus dem Jahr 2016:
Die Reise zum Verlag „Steffen Spiele“ führt in den Hunsrück ins Dörfchen Krastel. Es könnte passender nicht sein, dass der Weg in das kleine Sträßchen „Zum Spielplatz“ abbiegt, zu einem Hof mit zwei Häusern, eines davon uralt, verwinkelt. Es ist der Ursprung des Spielekosmos von Steffen Mühlhäuser, Chef des Verlags.
Quereinstieg ins Verlagswesen
Ob ein Spielentwickler ein Lieblingsspiel hat? „Ja, immer das, an dem ich gerade arbeite. Wenn ich merke, dass es eine Idee ist, die es so noch nicht gab, reißt mich das mit“, verrät Mühlhäuser. Dann wird daran getüftelt, entworfen, verbessert, überarbeitet und getestet, getestet, getestet. Mit seinen Angestellten, aber auch mit Freunden, freien Mitarbeitern und Helfern.
Los ging all das im Jahr 2000, als der Grafiker Mühlhäuser beschloss, Spieleverleger und -autor zu werden. Als Quereinsteiger, wie nahezu alle in dem Metier. „Spieleautor sein, das ist nichts, was man lernen kann, keine Ausbildung.“ Es gebe aber einige wenige Ausgangspunkte, auf denen fast alle Spiele basieren. Manche Entwickler hätten einen mathematischen Ansatz, andere seien Rollenspieler. Bei Mühlhäuser selbst hängt viel an seinem ursprünglichen Beruf, der sein zweites Standbein geblieben ist. „Arabische Muster, Kacheln am Boden – alle sichtbaren, grafischen Strukturen können bei mir ein Spiel werden“, verrät er. So war es auch mit den sechseckigen Bienenwaben, dank derer „Six“ entstand.
2003 erstmals bei der „Spiel“ in Essen
2003 trat der der gebürtige Neustadter mit seinem Verlag erstmals bei der „Spiel“ in Essen an. Mit einer Erstauflage von 300 Stück gingen seine Spiele an den Start, damals haben er und seine Mitarbeiterin die Spiele noch selbst verpackt und verschickt. „Heute reicht der Platz nicht mehr.“
Im Verlagsbauernhaus lagern nur noch einige Spiele in Regalen im Erdgeschoss, der Rest ist ausquartiert. Im ersten Stock wird organisiert.
Prototypen entwickeln und Probespielen
Was in dem charmanten, alten Häuschen noch passiert, ist aber eigentlich das allerwichtigste: Auf dem lichtdurchfluteten Dachboden werden die Prototypen entwickelt und probegespielt. Sein Kreativzentrum erreicht Mühlhäuser über zwei enge Treppen und schmale Gänge mit Wänden voller – was wohl? – Spielideen.
In der Mitte des Raums steht ein alter Schrank mit flachen Schubladen, der jedes Spielerherz höher schlagen lässt. Figuren, Würfel, Karten, Murmeln, Steine, Tiere. „Das ist der schönste Teil, ich freue mich, wenn ich hier sein kann. Hier ist die Kreativität“, erzählt Mühlhäuser.
Markenzeichen von „Steffen Spiele“: der fehlende Spielplan
Was er dort gerade austüftelt? Das aktuelle Projekt soll pünktlich im Oktober zur Spielemesse auf den Markt kommen. Noch wird nicht zu viel verraten. Gemeinsam mit einem jungen Autor hat Mühlhäuser dessen Grundidee weiterentwickelt.
Ein Sammelspiel wird es werden, das ein fast zufällig entstandenes Steffen-Spiele-Kriterium erfüllt: Es hat kein starres Spielbrett (Anmerkung der Redaktion: 2016 erschien „Zaubertrank der vier Elemente“ – bei dem kreisrunde Plättchen immer wieder neu zum Spielbrett zusammengelegt werden). Erst waren günstige Produktionskosten der Grund, warum es bei Mühlhäusers Werken gar keinen oder einen variablen Spielplan gibt. „Jetzt ist das irgendwie zu unserem Markenzeichen geworden“, berichtet er mit einem Lächeln.
Mit inhabergeführten Läden arbeiten
Auch für 2017 gibt es schon Pläne: Auf einen Schlag soll bei „Steffen Spiele“ eine Serie von sechs kleinformatigen Spielen veröffentlicht werden. Perspektivisch will Mühlhäuser seinen Verlag weiterentwickeln, neue Vertriebswege erschließen. Dennoch möchte er den großen Spielladen-Ketten und Internethändlern auch in Zukunft fernbleiben und stattdessen mit inhabergeführten Läden arbeiten.
Außerdem sollen seine Spiele wie bisher in Deutschland produziert werden. Derzeit stammen alle Holzteile aus dem Bayerischen Wald. Karton, Kärtchen und sonstiges Material wird bei Ludo Fact im baden-württembergischen Jettingen-Scheppach hergestellt und verpackt.
Langer Weg zum fertigen Spiel bei „Steffen Spiele“
Sein Dachboden, das soll kein Elfenbeinturm sein, kein Entwicklungsort fernab der Spielerrealität. Mühlhäuser will wissen wie Menschen auf seine Spiele reagieren, steht mit seinem Stand deshalb nicht nur auf den beiden großen Messen in Nürnberg und Essen, sondern auch bei Kunsthandwerkermärkten oder Festivals. Die Rückmeldung vieler Spieler sorge dafür, „dass kein Spiel in der zweiten Auflage bleibt, wie es bei der ersten war“.
Der vorher zu gehende Weg von der Idee zum Spiel ist nicht immer einfach, führt manchmal nicht zum Ziel. Aber: Eine Spielidee, die nicht direkt funktioniert, „lege ich nie ganz zur Seite“. Teile davon könnten in anderem Kontext brauchbar sein.
Noch viele Ideen warten auf Verwirklichung
Rund 40 Spielideen warten auf dem Kreativ-Dachboden auf ihre Vollendung. Wann dieser Punkt erreicht ist? Das ist Gefühlssache. „Man spürt es einfach, wenn ein Spiel fertig ist.“ Ein kanadischer Verleger, erzählt Mühlhäuser, habe gesagt: „Es gibt nur ein gutes Argument für ein gutes Spiel: Wenn die Spieler am Ende der Partie sagen, dass sie gleich noch mal spielen wollen.“
Das passiere, wenn ein Spiel zwischen Menschen an einem Tisch etwas entstehen lasse, eine Verbindung, einen gemeinsamen Weg, eine Reise in eine strukturierte Welt. Mühlhäuser nennt Spielen deshalb „ein außergewöhnliches Instrument, das nur mit ganz wenig vergleichbar ist“. Mit Musik vielleicht noch.
Eine Welt der klaren Regeln und Strukturen
Im Spiel mit klaren Regeln werde Chancengleichheit vorausgesetzt. Mühlhäuser fand dadurch Halt in einer schwierigen Lebensphase, denn „Spieleentwickler hauen gerne aus dem Chaos der hiesigen Welt ab in eine überschaubare Welt mit klaren Regeln und Strukturen“.
Vom 2004 verstorbenen, legendären Spieleautor Alexander Randolph stamme der passende, philosophische Gedanke: Im wahren Leben werde Ungerechtigkeit ständig hingenommen. „Viele Menschen haben durch Geburt oder Geldbeutel einen Würfel mit zwei Sechsen. Bei „Mensch-ärgere-dich-nicht“ würde das keiner hinnehmen. Am Spieltisch sind alle gleich“, beschreibt Mühlhäuser.
„Steffen Spiele“ im zauberhaften Dachboden in Krastel
Macht das die Welt der Spiele zu einer besseren? Auf jeden Fall zu einer, die immer wieder eine Reise wert ist. Vor allem, wenn sie im kleinen Sträßchen „Zum Spielplatz“ in Krastel auf einem fast zauberhaft anmutenden Dachboden ihren spielerischen Ursprung hat.
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