Würfeln, Karten ziehen, Figuren rücken, Strategien austüfteln, Bausteine stapeln: Auf der weltgrößten Messe für Brett- und Kartenspiele, der SPIEL 2015 in Essen, gibt es alles, was das Spielerherz begehrt. Am Messesamstag herrscht traditionell Hochbetrieb in den fünf Hallen. Ein Rundgang gibt Aufschluss über Neuigkeiten und Herausforderungen des Spielemarkts.

Das Tor zur SPIEL ist heute die Tür zu Halle 1. Der Joker aus Batman und eine kartenmäßig passend gekleidete Karo-Herz-Dame verteilen zur Begrüßung Flyer. Werbung für die „Comic Action“, die seit Jahren fester Bestandteil der SPIEL ist und in Halle 2 auf Gäste wartet.
Wenn „The Game“ zum Gegner wird
Schon drei Schritte weiter in der leicht stickigen Halle voller Stimmengewirr ist Batmans liebster Feind fast vergessen. Warum? Weil ein Spiel die Menschheit provoziert. Mit „Das Spiel ist der Gegner“ lockt der Nürnberger Spielkarten-Verlag all jene an seinen Stand, denen bei dem Spruch sofort durch den Kopf schießt: Das ich definitiv nicht auf mir sitzen lassen. Herausforderung angenommen!

Platz nehmen. „The Game“ erklärt bekommen, los geht es. Wir kämpfen hart gegen die zu schnell ansteigenden Kartenzahlen und den zu langsam abnehmenden Kartenstapel und hüllen den Mantel des Schweigens über die Tatsache, dass „The Game“ uns am Ende ganz schön platt gemacht hat.
Es ist eines von auffallend vielen kooperativen Spielen, die in diesem Jahr neu vorgestellt werden. Zwei von unzähligen weiteren Beispielen, bei denen die Spieler nur zusammen gewinnen oder verlieren können. „Mysterium“ von Libellud, bei dem die Spieler mithilfe eines Geistes auf Mörderjagd gehen und „Time Stories“ von Asmodee, bei dem es in Paralleluniversen temporale Probleme zu lösen gilt.
Spieleerklärer machen ihrem Namen Ehre

Ganz und gar nicht kooperativ ist „Cash’n’Guns“ von Repos Production, ein Spiel, bei dem sich Möchtegern-Verbrecher gegenseitig acht Runden lang mit Schaumstoffpistolen im Kampf um ein größtmögliches Stück der Beute bedrohen. Dabei spielen Glück und Bluffen eine gewichtige Rolle und sehr seltsame Dialoge der Marke „Bist du noch drin?“ – „Nein, ich bin tot“ entstehen. Muss man mögen, mein Fall war es nicht. Dass sich aber fünf Wildfremde an den Tisch gesellt haben, mit denen gemeinsam die Beute-Verteil-Fähigkeit zu testen war, ist eines von vielen Dingen, die die SPIEL zu einer bemerkenswerten Veranstaltung machen. Menschen, die nur rudimentär die gleiche Sprache sprechen, sitzen gemeinsam an Spieletischen. Wenn die Verständigung auch nur ansatzweise klappt, wird losgezockt.
Wichtig ist für das reibungslose Gelingen all dessen eine Sorte Menschen: die Spieleerklärer, die die Verlage an ihren Ständen verteilt haben, um ihrem Namen Ehre zu machen. Wie Eric Babak, der beim Verlag Steffen Spiele den Neugierigen mit Rat und Tat zur Seite steht. Ob „Schnipp Trick“, „Ten“ oder „Wörterklauer“ – Babak weiß, wie’s funktioniert, und beschreibt geduldig, was zu tun ist. Er kennt Autor und Verleger Steffen Mühlhäuser (Xamra hat Mühlhäuser ein Jahr später im Hunsrück besucht), der selbst am Stand allen Interessierten Fragen beantwortet, über einen gemeinsamen Freund.

Spieletisch mit toller Ausstattung zu gewinnen
Babak ist so vor drei Jahren zum ersten Mal bei der SPIEL als Erklärer aktiv geworden und hat bis heute sichtlich Spaß daran. Logisch, dass so jemand selbst seine Favoriten hat: An „seinem“ Stand gefällt ihm „Copa“ am besten, „weil es gleich vier Spiele auf einmal sind“. Getrocknete weiße Bohnen und kleine Holzschälchen bilden das unkonventionelle Spielmaterial. Grundsätzlich setzt sich Babak außerdem gern für eine Partie „El Grande“ an den Spieletisch.
Einen solchen in Luxusausstattung gibt es heute zu gewinnen. Vincent Pas lädt die Messebesucher mit geradezu (spiel-)bretthartem Akzent auf Englisch zum Mitmachen ein: „Los kaufen, E-Mail-Adresse eintragen und vielleicht morgen ausgelost werden.“ Sein Chef, Marcin Szachniewicz, erklärt derweil, was es zu den Tischen seines Unternehmens Geeknson alles zu wissen gibt: Beispielsweise, dass für sein Machwerk Tassen-, Weinglas- und Kartenhalterungen zu haben sind, die am äußeren Rand eingehängt werden, um ja nicht den Spielfluss im Inneren zu stören. Die Tische aus hellem oder dunklem Holz haben einen hohen Rand, die darin versenkte Tischplatte ist mit farbigem Filz bezogen, damit nichts verrutscht und die Würfel nicht zu laut klappern.
Würfelherz schlägt höher

Apropos Würfel: Von denen finden Rollenspieler und alle, die es werden wollen, Massen an mehreren Ständen. Spielspezifisch, in Regenbogen- und allen erdenklichen Kombinationen von Farben mit zwei bis 20 Seiten, aus Kunststoff, Holz, Metall und Stein, durchsichtig, Glänzend oder mattiert, riesengroß oder winzig klein. Die Auswahl dauert – denn jeder Würfel muss im Plastikkörbchen proberollen. Dann ist das Risiko später am Spieletisch nicht ganz so hoch, schlecht zu würfeln. Abergläubisch sind Spieler ja zum Glück gar nicht.
Währendes nicht nur vor den Würfelständen, sondern in allen Gängen in den Hallen immer voller und enger wird, zwecks einfacherem Spieletransport mitgezogene Trollies über Füße rollen und Schultern immer wieder mit Rucksäcken kollidieren, lässt sich ein weiterer Trend erkennen: Fortsetzungen, Erweiterungen und von Filmen inspirierte Spezialausgaben. Für zig Spiele(-klassiker) ist die x-te Zusatzbox zu haben. „Carcassonne“ kommt in der Star-Wars-Variante daher, der Kartendeck-Dauerläufer „Magic – the Gathering“ wird zum Brettspiel, „Jenga“ wird mit einem bebenden Sockel verkompliziert und für „Orléans“ – Platz zwei beim Spiel des Jahres 2015 – kommt die gut durchdachte Erweiterung „Invasion“ hinzu, die Annika Zimek, Redaktionsassistentin beim Verlag dlp games, den Messebesuchern erklärt.
Autoren signieren Sonderkarten
An vielen Ständen locken messeexklusive Minierweiterungen wie besondere Karten, Plättchen oder Figuren. Wer Glück hat, erwischt einen Autor zum Signieren, wie Gerhard Hecht am Kosmos-Stand, der fleißig die Spezialkarte „Der vergessene Hafen Narkonna“ unterschreibt. Sein Spiel „Chada & Thorn“ gehört zwar ins Universum von Michael Menzels „Die Legenden von Andor“, ist aber eigenständig und für zwei Spieler gedacht. Die übrigens ebenfalls zusammen agieren.
Nach sechs Stunden beim Messesamstag sind die Taschen und Trollies gefüll tund die Vorfreude auf die erste und viele folgende Testrunden steigt. Ab nach Hause, ausschlafen und losspielen. Vielleicht bald schon auf dem gewonnenen Spieletisch? Wer weiß …
Rekord geknackt: 1040 Menschen spielen „Catan“

1040 Spieler aus 25 Ländern haben bei der Spiel an einem fast 500 Meter langen Spielbrett einen neuen Weltrekord im „Catan“-Spielen aufgestellt. Lange vorm Startschuss hatten sich die für den Rekordversuch angemeldeten Spieler in Schlagen vor der Halle vier eingefunden. Anlass des Großereignisses war das 20. Jubiläum eines der bekanntesten Brettspiele überhaupt, dessen Erfinder Klaus Teuber ebenfalls vor Ort war. Der bisherige Rekord lag bei 922 Strategen, die 2013 in Indianapolis Inseln mit Straßen bepflasterten, Schafe gezüchtet und Bäume gefällt haben.
Daten und Fakten zur SPIEL 2015
Noch mehr Besucher, noch mehr Aussteller, noch mehr Neuheiten, noch größere Fläche – die SPIEL hat auch im Jahr 2015 nicht mit Superlativen gegeizt.
Mehr als 162.000 Spielefans haben sich an vier Tagen auf 63.000 Quadratmetern in fünf Hallen auf dem Essener Messegelände getummelt. 910 Aussteller aus 41 Nationen zeigten an den vier Messetagen ihre Waren. Darunter waren auch mehr als 1000 Neuheiten, 150 mehr als im Vorjahr.
Wie immer bei der Spiel ist auch in diesem Jahr der Deutsche Spielepreis – nach Veranstalterangaben der weltweit wichtigste Publikumspreis für Gesellschaftsspiele – vergeben worden. In der Kategorie Familien- und Erwachsenenspiele hat „Auf den Spuren von Marco Polo“ Platz eins belegt. Bei dem aufwendig gestalteten Strategiespiel müssen bis zu vier Handlungsreisende den Pfaden des großen Entdeckers bis nach Peking folgen. Dabei ist einiges Grübeln erforderlich, um am Ende die begehrten Siegpunkte zu ergattern.

Das beste Kinderspiel ist „Spinderella“, das schon durch seinen dreidimensionalen Aufbau auffällt. Auf zwei Ebenen versuchen die Spieler ab sechs Jahren Ameisen (unten) an Spinnen (oben) vorbei ins Ziel zu bringen.
Neugierig geworden? Die nächste SPIEL geht vom 13. bis 16. Oktober 2016 über die Essener Bühne.
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