In „Voll auf die 18“ geht es um Argumente. Gute. Die man Nazis um die Ohren haut, um sie zu überzeugen, dass das Nazi-Sein keine gute Idee ist. Das soll die Welt zu einem besseren Ort machen. Dabei darf viel gelacht werden, weil ein berühmtes Känguru, ein fast genauso berühmter Kleinkünstler und ihre Buddys einfach wieder sensationell komisch und mit vielerlei lustigen Sprüchen dekoriert sind. Bei dem neuen Kartenspiel von Marc-Uwe Kling, Schöpfer der Känguru-Chroniken, muss wirklich keiner, der es bekommt, „Razupaltuff“ sagen.
Es ist ein höchst unterhaltsames Spiel und in größerer Runde ein grandioses Vergnügen, das auf einem Klassiker unter den „Verhörern“ aus der Spielewelt aufzubauen scheint: dem Nachziehstapel, der vernuschelt schon mal nach „Nazi-Stapel“ klingt.
Also hat Kling ins Zentrum einen Stapel ausgesprochen unsympathischer Nazi-Karten gestellt, denen die Spieler kooperativ und extrem kommunikativ mit Argumenten(-Karten) begegnen müssen. Das Ganze ist von einer kostenlosen App unterstützt und dient dem guten Zweck: Alle am Projekt Beteiligten – Autor, Team, Verlag, Vertrieb … – spenden den Gewinn aus dem Verkauf des Spiels an Organisationen, die sich gegen Rassismus engagieren: an den Verein Opferperspektive, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin und die Antonio Amadeu Stiftung. Einer Pegasus-Pressemittelung von März 2023 zufolge, kamen dabei bereits fast 70.000 Euro zusammen, es dürften inzwischen deutlich mehr sein.
Ernstes Thema steckt hinter „Voll auf die 18“
Hinter dem Spaß im Spiel steckt also ein brutal ernstes Thema, das kaum aktueller sein könnte und das Aufmerksamkeit verdient.
Eine wie immer fiktive, aber vom Känguru höchst glaubwürdig vorgetragene Studie hat laut App ergeben, dass Nazis am besten vom Nicht-mehr-Nazi-sein zu überzeugen sind, wenn Argumente genau ihren IQ treffen. Der reicht bei den 18 Nazi-Karten von sechs bis 23 – auf der 08/15-Seite. Es gibt auch noch eine fiese Seite, aber dazu später mehr.
Bekannte Charaktere: Känguru, Kleinkünstler, Herta, Karpotke & Co.
Jeder Spieler erhält zu Beginn vier Argument-Karten, die Zahlenwerte von eins bis sechs in den Farben rot, gelb, blau oder grün zeigen. Außerdem eine Rückseite, aber auch die kommt später.
Dann wählt jeder einen Charakter. Neben dem Känguru und dem Kleinkünstler gibt es Maria, Jesus, Herta, Krapotke sowie das Duo Friedrich-Wilhelm und Otto-Von. Jeder argumentiert auf seine eigene Art. Und das ist entscheidend für den Sieg über die Nazis.
Mindestens zwei Argumente nötig bei „Voll auf die 18“
Nach dem Start des Spiels in der App muss der IQ eines ausliegenden Nazis mit mindestens zwei Argument-Karten in Summe genau getroffen werden. Je nach Charakter müssen dafür unter anderem aufeinanderfolgende Zahlwerte gebildet (Kleinkünstler), gleiche Farben (Känguru) oder Zahlenpärchen (das Duo) gelegt werden. Heißt: Ein IQ-Sechs-Nazi könnte für Kleinkünstler und Känguru mit den Argument-Werten Eins, Zwei, Drei erfüllt werden, für das Känguru eben in gleicher Farbe. Für das Duo müssten es ein Pärchen Dreien sein.
Richtig kompliziert wird es mit Krapotke, der würfelt, statt mit Karten zu agieren, und Maria, die aus halben Digitalzahlen auf den Kartenrückseiten ganze Zahlen puzzeln und addieren muss – beide sind aber eher nur im Spiel zu viert oder fünft ratsam, weil sonst zu wenig Bewegung in den Karten ist.
Argumente addieren bei höheren IQ-Werten
Bei Nazi-IQ-Werten gewisser Höhe müssen die Spieler ihre Argumente addieren. Sie dürfen untereinander tauschen, müssen aber am Ende immer vier Karten haben. Getauscht werden darf auch in einer Bibliothek mit vier aufgedeckten Karten, aber nur mit gleicher Farbe oder gleicher Zahl. Da kann es nötig sein, aus einer blauen Eins erst eine blaue Fünf zu machen, ehe man sich danach die benötigte gelbe Fünf nehmen darf. Das wird herrlich unübersichtlich und lustig-laut-chaotisch, wenn das alle Spieler gleichzeitig tun. Was nötig ist, weil die Zeit für Züge nacheinander definitiv nicht reicht. Alle spielen, diskutieren, tauschen gleichzeitig, bis sie hoffentlich eine passende Summe finden, um einen Nazi loszuwerden.
Dann fliegen die Karten auf den Tisch, werden mitsamt passendem Nazi im Spielekarton entsorgt, Argumente werden nachgezogen und weiter geht’s. Denn die App lässt in gewissen Abständen zwischen Gedudel das Känguru „ACHTUNG!“ brüllen, und dann wird der nächste Nazi vom Nazi-Stapel gelegt. Sobald oben, unten, rechts und links vom Nazi-Stapel ein Nazi liegt, ist das Spiel verloren. Gleiches gilt, wenn den Spielerinnen die Argumente ausgehen, sprich der richtige Nachziehstapel leer ist.
Gewinnen die Spieler, ist die Welt ein besserer Ort
Schaffen es die Spieler dagegen, alle Nazis wegzuargumentieren, bevor die Zeit in der App abläuft, gewinnen sie und haben die Welt zu einem besseren Ort gemacht – und können sich direkt dem nächsten der 18 Kapitel widmen, die die schwierigeren Charaktere Maria und Krapotke ebenso nach und nach ins Spiel bringen wie die fiesen Nazis, die nur mit zusätzlichen Schwierigkeiten überzeugt werden können.
Auch die Talente der Charaktere, einmalige, hilfreiche Zusatzeffekte, kommen so ins Spiel. Über Zusatzregeln wird die Argumente-Bibliothek erweitert, die in den ersten Kapiteln mit nur vier Karten vor allem im Spiel zu zweit ein blockierender Knackpunkt war, weil Auswahl und Tauschmöglichkeiten fehlten. Zu viert dagegen war es knapp mit den Karten, hat aber geklappt und den anwesenden Argumentierern viel Unterhaltung geboten hat.
Starkes Spiel mit starkem Hintergrund
Nicht nur das bringt einen sehr hohen Wiederspielwert mit sich. „Voll auf die 18“ ist ein starkes Spiel mit starkem Hintergrund, das mal wieder in die Welt der Känguru-Chroniken entführt und zudem auch noch einen Heidenspaß macht. Ganz und gar kein „Razupaltuff“, was Känguruisch ist für jemanden, dem auffällt, dass er grad aber mal so richtig reingelegt wurde. Stattdessen: Klare Empfehlung, auch zur Unterstützung des guten Zwecks.
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