Planta Nubo: Eine Welt um ein großartiges Spiel entsteht

Es ist ein Spiel wie ein gigantischer Baum. Ein wunderschöner Baum, den man umarmen und bewahren will. Ein Spiel mit Geschichte. Vielen Geschichten. Was es einzigartig macht. „Planta Nubo“, von Andreas, genannt ode., Odendahl, Michael Keller und Uwe Rosenberg. Der Verlag The Game Builders hat das Schwergewicht auf Expertenniveau auf der Spiel 2023 vorgestellt. Aber es ist zugleich so viel mehr als ein Spiel, es ist eine Welt. Und ode. hat mir erzählt, wie sie entstanden ist.

  • Autor: Mike Keller, Uwe Rosenberg, Andreas ode. Odendhal
  • Illustration: Lukas Siegmon
  • Spielerzahl: ein bis vier
  • Alter: ab zwölf Jahren
  • Dauer: 30 Minuten je Spieler
  • Lustige Startspielerbestimmung: keine
  • Verlag: The Game Builders

ode., der The Game Builders zusammen mit Thorsten Hanson leitet, durfte ich 2022 auf der Spiel kennenlernen, als er das erste Spiel des Verlags, „Applejack“, auf die Spielewelt losgelassen hat. Es folgte „Planta Nubo“ und das hat aber nun mal so gar nichts mehr mit dem netten, kleinen Plättchenlegen auf einer Streuobstwiese zu tun. Es ist nicht nur eine, es ist zehn Nummern größer. Das Expertenspiel kommt aber nicht nur mit zwei Kilogramm Material und keinem Regelheft, sondern eher einem Regelbuch daher. Oh, nein! Es ist eine ganze Welt in einem frischen, unverbrauchten Setting. Und Buch ist außerdem ein ganz wunderbares Stichwort. Aber warum lassen wir ode. nicht selbst erzählen?

Die Geschichte beginnt vor 15 Jahren

„Im Jahr 2009 habe ich zum ersten Mal bei der Spielemesse in Essen an einem Stand für einen Verlag gearbeitet. Dort habe ich Uwe und Mike kennengelernt“, erzählt er. Was lapidar klingt, heißt, dass Freundschaften begannen. Mit Autorenlegende Uwe Rosenberg, der damals sein Spiel „Vor den Toren von Loyang“, erschienen bei H@llGames und als Neuauflage 2016 bei Pegasus Spiele, vorstellte. Und mit dem Schweizer Spieleautor Michael, genannte MiKe, Keller, mit dem ode. anfing, gemeinsam Spiele zu entwickeln. „La Granja“ (wenn ich dazu komme, die wunderbare Deluxe-Ausgabe zu spielen: Rezension folgt) und „Solarius Mission“ wurden 2014 und 2016 veröffentlicht.

In den Jahren danach entstand der Gedanke, eine Würfel-Version von „Vor den Toren von Loyang“ zu machen. Ideen wurden weitergesponnen, sehr viel weiter und schließlich gab es konkrete Entwicklungen für „Planta Nubo“ – zugegebenermaßen mit wenigen Würfeln, aber richtig viel Material. „Wir haben es Verlagen angeboten, die wollten es schlanker haben“, erzählt ode. Das wollten die Macher aber nicht. Just in der Zeit hatte ode. mit Hanson The Game Builders gegründet – also verlegten sie „Planta Nubo“ selbst.

Die Idee des Solarpunk

Thematisch resultiert „Planta Nubo“ zunächst aus der Idee, etwas mit Gemüseanbau zu machen. „Dann hatte ich die Idee mit Solarpunk, einer ökologischen Utopie“, sagt ode. „Wir wollten der ganzen Klimaangst etwas Positives entgegensetzen, eine Welt machen, in der die Menschen im Einklang mit der Natur leben.“

Lukas Siegmon, der auch schon „Applejack“ gestaltet hat, kam als Illustrator dazu. „Meine Idee war Science-Fiction, Lukas hat daraus etwas Tolles gemacht“, lobt der Verlagschef und Autor. Denn Siegmon verpasste dem Spiel eine in den Bann ziehende mächtige und doch leichte Optik aus Bäumen, Bots und Feldern, aus bienenartigen Luftschiffen und Blumen.

Leben auf den Kronen der Arboren

Hintergrund von „Planta Nubo“ ist das endlich gewonnene Verständnis der Menschheit, dass sie der Natur helfen und Sauerstoff produzieren müssen, um das Klima zu retten und zu überleben – auf einem ausgebeuteten, vergifteten und fast zerstörten Planeten, der zu seiner eigenen Rettung besondere Pflanzen geschickt hat. Denn die Menschheit lebt in den Kronen riesiger Bäume, Arboren genannt, bewirtschaften dort Gärten und Felder und sorgen so für Energie und Sauerstoff.

Das war es aber noch lange nicht mit der abenteuerlichen Reise von „Planta Nubo“. The Game Builders stellten das Spiel ihrem Vertriebspartner, dem Calderan-Verlag vor. „Die waren von dem Thema so begeistert, dass sie sagten: Wir machen dazu ein Buch!“, erzählt ode. Und plötzlich standen er und seine Mitstreiter vor einem ganz neuen Problem: „Wir hatten keine Ahnung, was literarische Autoren eigentlich brauchen, um ihre Geschichten schreiben zu können.“

Eine Welt der Gleichberechtigung und Inklusion

Heißt übersetzt: Die Spielautoren lernten, was nötig ist, und entwarfen ihre eigene Welt. Zum Beispiel war klar: „Wir wollten keine Magie haben. Wir wollten eine Welt der Gleichberechtigung und Inklusion zeichnen. Magie ist immer etwas Besonderes, wir wollten aber niemanden, der über jemand anderem steht“, sagt ode.

Die entstandene Welt heißt Overgrown und alles, was darin gilt und sie ausmacht, ging an die literarischen Autoren, die 19 Geschichten „in unserer Welt geschrieben haben“, berichtet ode. mit berechtigtem Stolz. „Andi Bottlinger hat die Geschichten fantastisch lektoriert, sodass sie in unsere Welt passen“, erzählt er weiter. Er weiß die vielen Mitstreiter bei dem Projekt zu schätzen, das plötzlich so viel mehr war als ein Spiel.

Mit jeder Geschichte wächst das Overgrown-Universum

Und tatsächlich wächst das Overgrown-Universum mit jeder Geschichte der Anthologie ein bisschen weiter, auch oft mit Blick zurück auf die Zeit vor dem Neuanfang auf den Arboren, auf verseuchte Gebiete, die wieder genesen müssen, auf das Erwachsen werden junger Menschen in dieser Umgebung, auf Lernen und Lieben und die Wertschätzung von Natur und den Lebensraum gebenden Riesenbäumen in einer toleranten, offenen Welt. Wenig verwunderlich, dass der Name des Spiels und Buchs aus dem Esperanto stammt, der gemeinsamen internationalen Sprache einer weltweiten Community, die keinem Volk oder Land oder Kontinent zugewiesen ist. In Esperanto steht „planto“ für Pflanze und „nubo“ für Wolke. Wolkenpflanze, Pflanze in den Wolken – in Overgrown sind die Arboren die Wolkenpflanzen.

Das Solarpunk-Setting und Overgrown – es dauert nicht lange, bis man in beides eingetaucht ist und sich darin bemerkenswert wohl fühlt. Und die Geschichten um Overgrown sind auch spielerisch noch nicht auserzählt.

„Suna Valo“ – ein Spiel für zwei in der Welt von „Planta Nubo“

Erweiterungen für „Planta Nubo“ seien nicht geplant, verrät ode. „Ein Spiel kann auch einfach mal fertig sein, wenn es erscheint“, findet er angesichts vieler, vieler Spiele mit der fünften, siebten oder zehnten Erweiterung. Dennoch wird es Neues aus Overgrown geben: Auf der SPIEL 2024 erscheint mit „Suna Valo“ (Rezension folgt nach dem Pick-Up in Essen) ein Spiel für zwei, in dem ein Bauernhof aufgebaut wird. Und erneut hat Lukas Siegmon das ganze wunderbar illustriert. Und Calderan wäre nicht Calderan, würde nicht auch wieder ein Buch dazu erscheinen: „Suna Valo“, ein Roman in der Welt von Overgrown, der ebenfalls in Essen am The-Game-Builders-Stand abholbar ist.

„Suna Valo“ klingt, als würde konzentriert, was in „Planta Nubo“ ausladend und auf verschiedenen Spielplänen geschieht. Denn das erste Overgrown-Spiel ist hochkomplex. In vier Runden mit verschiedenen Phasen, gibt es zig Zugmöglichkeiten, gesteuert von vier Werkzeugplättchen, die jeder Spieler hat. Es können Blumen-Polynominos mitsamt Blumen-Würfeln aufs eigene Beet gepflanzt, Felsen entfernt, Blumen-Würfel per Luftschiff geliefert oder kompostiert, Module und Oxyfarmen für die eigene Station gekauft, Energiepunkte gesammelt und eingesetzt, Wälder geschaffen werden und noch so einiges mehr. Manchmal hilft auch der Gartenbot mit Überstunden und zusätzlichen Aktionen. All das mit dem Ziel möglichst viel Sauerstoff zu produzieren, der als Punkte auf einem der Spielpläne gezählt wird. Am Ende gewinnt, wer für den meisten Sauerstoff gesorgt hat.

Vier Runden, vier Spielbereiche, vier Bildergalerien

Die vielschichtigen Mechanismen an dieser Stelle alle zu erklären, sprengt jeden Rahmen. Darum lassen wir liebe Bilder sprechen. Für jeden Spielbereich (Blaupausen, Plattform-Tableau, Hauptspielplan und Werkstatt-Tableau) mit einer eigenen Bildergalerie:

  • Die Blaupausen
  • Das Plattform-Tableau jedes Spielers
  • Der Spielplan
  • Das Werkstatt-Tableau jeder Spielerin

Deutlich verbesserte Version der Regeln für „Planta Nubo“

Ja, das ursprüngliche Regelwerk von „Planta Nubo“ war nicht optimal und vielleicht hätte man das eine oder andere, kleinteilige Element weglassen können. Aber die zum Download bereitstehende und in künftigen Auflagen beiliegende überarbeitete Version ist für einen kiloschweren Expertenkracher erstaunlich eingängig und dürfte Vielspieler vor keinerlei Probleme mehr stellen. Das gilt hoffentlich auch für den noch nicht getesteten Solomodus.

Wer sich an diese wunderschöne Spielewelt wagen möchte, sollte sich einmal Zeit nehmen für die Regellektüre. Ist der umfangreiche Aufbau abgeschlossen und hat das Spiel begonnen, erschließt sich viel und Abläufe werden sehr viel schneller klar als erwartet. In verschiedenen Testrunden hat „Planta Nubo“ voll überzeugt und will von allen wieder gespielt werden. Das spricht nicht nur für das Spiel, sondern auch für die entworfene Welt.

ode.: „Wir haben eine neue Welt angestoßen“

Dazu noch ein Gedanken von ode. rund um das Overgrown-Projekt, der nachhaltig hängen geblieben ist: „Spiele kommen oft abstrakt daher. Es gibt ein Problem, das in einer Spielmechanik zu lösen ist. Wie schön ist es, wenn wir es dabei schaffen, Leute in eine ganze Welt eintauchen zu lassen, dem Abstrakten ein Thema zu geben, Geschichten zu erzählen. Wir haben eine neue Welt angestoßen, Lukas hat sie visualisiert und die Autoren haben Geschichten daraus erzählt. Es ist jetzt unsere Welt, das hat funktioniert und ist toll.“ Das kann man am Ende auch einfach mal so stehen lassen. Weil es schön ist. Wie Overgrown, „Planta Nubo“ und seine Geschichten.

Kommentare

2 Antworten zu „Planta Nubo: Eine Welt um ein großartiges Spiel entsteht“

  1. Avatar von Dirk Schröder
    Dirk Schröder

    Leider ein Fehler beim Bild „Andreas ode. Odendahl, im Hintergrund Illustrator Lukas Siegmon. Foto: Xamra“, der Liebe Mensch im Hintergrund heißt Björn Pollmeyer und hat das Layout aber nicht die Illus gemacht.

    1. Danke für den Hinweis, ist korrigiert.

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