Mini Rogue: Kleiner, großer Dungeon Crawler

Da kommt so eine kleine, unscheinbare Schachtel daher und behauptet ein Dungeon Crawler zu sein? Ich gestehe, da bin ich mit „Gloomhaven“ und „Frosthaven“ und richtig großen Boxen leicht vorgeschädigt, aber bitte, ein Versuch ist es wert. Gut so. Denn „Mini Rogue“ überzeugt. Ein kleines Kartenraster, ein Verlies-, ein Spielertableau und ein, zwei Dinge links und rechts davon reichen völlig aus, um solo oder zu zweit einigen Spielspaß zu haben.

  • Autor: Paolo Di Stefano & Gabriel Gendron
  • Illustration: Gabriel Gendron
  • Spielerzahl: ein bis zwei
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: 30 Minuten
  • Lustige Startspielerbestimmung: keine
  • Verlag: Corax Games

Aber vor dem Crawlen nach dem sagenhaften Rubin „Ogs Blut“ haben die Dungeongötter den Aufbau gestellt. Und der ist für die kleine Box ganz schon umfassend: Charakterkarte mitsamt Tableau aussuchen, Eigenschaften entsprechend des Charakters mit Holzwürfeln markieren. Auf dem Dungeontableau einen Holzmarker auf das Feld Eins platzieren und einen roten Marker auf die Null bei den Monster-Lebenspunkten für spätere Kämpfe. Belohnungs- (das klingt doch mal gut!) und Geistreferenzkarte (das weniger…) bereitlegen. Raumkarten mischen und zweimal drei und einmal zwei in einem Raster auslegen, als neunte Karte kommt die Bosskarte „Ogs Überreste“ dazu, daraufgelegt warten drei weitere Endgegnerkarten.

Vier Ebenen, vier Bosskämpfe

Auch wenn sich durch die immer neu angeordneten Raumkarten und Monsterreihenfolgen viel Abwechslung ergibt, bleibt einiges in jedem Abenteuer gleich. Der Dungeon besteht aus vier Ebenen, in jeder muss üblicherweise ein Boss besiegt werden, um die darunterliegende Region zu erreichen. Je nach Ebene werden auch die zu verprügelnden Monster stärker.

Vier Sorten Würfel sind im Spiel. Der Charakterwürfel bestimmt, welchen Schaden der Magier austeilt. Zu Beginn hat er nur einen, mit steigender Erfahrung werden es mehr, was angesichts der Monsterpower dringend nötig ist. Der Dungeonwürfel wird für bestimmte Ereignisse befragt – Monsterangriffe, Falleneffekte oder welche Belohnung gefunden wird.

Fluch und Gift in Würfelform

Im Vergiftungsfall muss der Giftwürfel mit den Charakterwürfeln gewürfelt werden. Zeigt er einen Tropfen, wirkt das Gift und man verliert einen Lebenspunkt. Hat sich der Kreuzritter einen Fluch eingefangen, wird ein Fluchwürfel mitgewürfelt. Zeigt er einen Totenschädel, wird vom Ergebnis von jedem Charakterwürfel Eins abgezogen.

Auf dem Charaktertableau werden diverse Dinge festgehalten: die obligatorischen Lebens- und Erfahrungspunkte sowie Goldmünzen. Außerdem gibt’s Platz für Rüstung, Nahrung und Tränke. Müsste die Schurkin etwas abgeben und hat zu wenig davon, verliert sie stattdessen Lebenspunkte.

Der einfache Weg ist bei „Mini Rogue“ nicht der beste

Die Priesterin beginnt ihr Solo-Abenteuer mit dem Umdrehen der Karte links oben im Raster und handelt deren Auswirkungen ab. Danach dreht sie die Karte rechts davon oder in der Reihe darunter um und entscheidet, welchen der beiden Räume sie betreten möchte. Die Spielfigur kann nicht diagonal, nach oben oder links ziehen.

Das bedeutet aber auch, ich muss ständig entscheiden, welche Begegnung ich wähle. Will ich kämpfen und Belohnungen kassieren, riskiere aber auch Schaden? Oder plündere ich den Schrein und riskiere Gift oder Fluch? Oder wähle ich den einfacheren, kampflosen weg, am Ende sind die erfahrungslose Schurkin oder der eher mau ausgerüstete Magier aber nicht stark genug für den Bossfight?

Charakterklassen mit Sonderfähigkeiten

Priesterin? Magier? Kreuzritter? Schurkin – ist das wichtig? Ja, ist es. Denn jede Charakterklasse hat zwei Sonderfähigkeiten, die jeweils im Kampf, beim Erkunden oder beim Aufbau des Dungeonrasters nutzbar sind. Ist das geschehen, wird die Charakterkarte auf die Rückseite gedreht, bis sie nach bestimmten Regeln wieder umgedreht und erneut eingesetzt werden darf.

Anzutreffen ist im Verlies so einiges – Erfreuliches und Unerfreuliches. In der Waffenkammer ist Ausrüstung zu finden. Einsiedler, Lagerfeuer, Händler, Schatz und Jäger bringen oder verkaufen Positives (Gold, Nahrung, Erfahrungs- oder Lebenspunkte, Rüstung, Tränke). Bei Fallen wird’s naturgemäß eher schmerzhaft. Ein Erfolg im Deaktivieren des Hinterhalts kann aber für nette Belohnungen sorgen.

Viele Raumkarten erfordern Mutprobe

Bei vielen Begegnungen ohne Kampf, mit Fallen oder in harmloseren Räumen wie der „Feuchten Höhle“ ist eine Mutprobe nötig. Dafür würfelt die Abenteurerin mit allen ihr verfügbaren Charakter- und dem Dungeonwürfel. Zeigt ein Charakterwürfel eine Fünf oder Sechs, ist die Probe erfolgreich. Der Dungeonwürfel gibt der Auflistung auf der Raumkarte folgend an, welche Belohnung oder Strafe droht.

Monster dagegen werden natürlich bekämpft, ihre Lebenspunkte können auf dem Dungeontableau nachverfolgt werden. Auch dafür werden Charakter- Dungeon, und – falls vorhanden – Fluch- und Giftwürfel gewürfelt. Charakterwürfel mit einem X sind ein Fehlschlag, solche mit einer Sechs sind ein Treffer. Die Sechser dürfen nochmal gewürfelt und die neue Augenzahl addiert werden. Außer ein Fehlschlag macht die Angriffsreihe zunichte. Passt das Würfelergebnis so gar nicht, können die Abenteurer einen Kraftakt ausführen, einen Erfahrungs- oder zwei Lebenspunkte abgeben und dafür einen Würfel neu würfeln. Die Summe ist der Schaden, den das Monster einstecken muss.

Monster können Effekte auslösen

Danach greift das Monster an mithilfe des Dungeonwürfels. Bei einer Eins haut es daneben, Zwei bis Fünf sind gelungene Angriffe, von denen aber Rüstungspunkte abgezogen werden. Eine Sechs ignoriert die Rüstung und der Held erleidet vollen Schaden. Bei einem Treffer packt so manches Monster auch noch Effekte obendrauf. Neben Gift und Fluch kann der Held auch noch erblinden und rückt später auf einen Raum weiter, ohne ihn vorher umgedreht zu haben. Mal ignoriert der Schattenwolf die Rüstung, mal schwächt der Ahnengeist den Helden dermaßen, dass er einen Erfahrungspunkt verliert. Andere Monster regenerieren Lebenspunkte oder sorgen dafür, dass die Abenteurer eine Ebene tiefer stürzen, womit der Kampf endet und sie Schaden kassieren. Ansonsten wird so lange gekämpft bis Kreatur oder Heldin die Lebenspunkte ausgehen. Im Siegesfall winken Erfahrungspunkte, Gold oder Nahrung – und weiter geht das Abenteuer.

Ach ja, wenn ihr euch fragt, wie man denn eigentlich Gift und Fluch wieder los wird: Wie immer, im Dungeon: Tränke! Gleich sechs verschiedene sind zu haben, wobei man immer nur zwei gleichzeitig tragen kann – wie so vieles ausgesprochen praktisch mit Holzwürfel auf dem Charaktertableau zu markieren.

Tränke retten Helden bei „Mini Rogue“

Ein Feuertrank scheint eine Art Molotow-Cocktail zu sein und verpasst einem Monster direkt sieben Schadenspunkte. Der Frosttrank friert den Gegner für eine Runde ein, er kann nicht angreifen. Auch Kreaturen können vergiftet werden, der Trank sorgt für vier Schaden. Ein Heiltrank bringt sechs Lebenspunkte zurück. Der Trank der Sinnesschärfung lässt die Schurkin eine Mutprobe gewinnen oder heilt Blindheit. Und die Wunderwaffe unter den gut gefüllten Fläschchen ist der Heilige Trank, der Blindheit, Gift und Fluch auf einmal wegwischen kann. Und wer bei all dem den Überblick verliert sei an die sehr guten Spielhilfen verwiesen, die das Abenteurerleben beim manchmal ein wenig unübersichtlichen Regelwerk deutlich erleichtern.

Der Ablauf im Spiel zu zweit ist identisch, nur dass alles Eingesammelte (Gold, Tränke, Nahrung, Rüstung) untereinander getauscht werden dürfen. Zudem sind Monster und Endgegner angepasst an zwei Kontrahenten deutlich stärker.

Kampftaktiken oder Kampagne

In einer Variante mit Kampftaktiken wird vor jeder Kampfrunde entschieden, ob man Schwert oder Kampfstab aggressiv, ausgewogen oder defensiv schwingen möchte. Ausgewogen ist wie im Grundspiel, defensiv erhöht den Rüstungswert um eins. Aggressiv bedeutet, dass es bei je zwei Ergebnissen Fehlschlag (X und Zwei) und zu addierende kritische Treffer (Fünf und Sechs) gibt.

Im Angebot von „Mini Rogue“ wäre dann auch noch ein Kampagnenmodus, in dem besondere Relikte und vor allem Fähigkeiten, die rollenspielmäßig gesteigert werden können. In den Entwicklungsbäumen Erkundung, Überleben und Kampf stehen je fünf Fähigkeiten zur Verfügung.

Vier Erweiterungen zu „Mini Rogue“

Und wem das immer noch nicht reicht – also mir – der hat zum Glück auch noch vier Erweiterungen in der Box. Zugegeben, „Glänzende Schätze“ sind nur holografische Foilversionen der Boss- und Belohnungsreferenzkarten. Hübsch sind sie trotzdem. „Die Alten Götter“ dagegen führt im Zweierspiel kompetitive Regeln ein und bringt mit Knochen einen Skelett-Helden sowie drei neue Raumkarten und einen Boss, den Totenbeschwörer, mit. Die umfangreichste Erweiterung ist „Tiefen der Verdammnis“ mit zwei Bossen, drei Helden, sieben Räumen und 26 Ereignissen. Und dann wär da noch der Bierdeckel mit sechs zusätzlichen Quests. Ja, richtig gelesen, Bierdeckel.

Allerdings waren die Erweiterungen bis auf „Glänzende Schätze“ nur Teil der Crowdfunding-Kampagne und müssen gesucht und gefunden werden wie die Truhe voller Juwelen im Dungeon. Die Double-Layer-Tableaus aus der Kampagne sind auch ausgesprochen hilfreich, sonst verrutschen die Holzmarker doch zu leicht.

In kleiner Schachtel steckt unfassbar viel drin

Kampagne oder nicht: „Mini Rogue“ kommt in einer kleinen Schachtel, in der unfassbar viel drinsteckt. Der minimalistische Dungeon Crawler funktioniert und ist von Gabriel Gendron stimmig in düsteren Farbtönen, aber doch nicht zu gruselig illustriert. Klar, es hat nicht die erzählerische Tiefe der großen Machwerke, die über Wochen und Monate fesseln. Spaß macht „Mini Rogue“ trotzdem und passt eben auch mal auf einen kleineren Tisch.

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