Man nehme Planeten, auf denen es Landschaften, aber sonst herzlich wenig gibt. Man nehme eine Spielrunde und gebe ihr diese Planeten und fordere sie auf: Lasst Bäume sprießen, Wälder wachsen – aber achtet auf den Lauf der Jahreszeiten. Heraus kommt „Evergreen“, ein bemerkenswert ausgestattetes, wunderschönes, ruhiges Strategiespiel von Hjalmar Hach, das uns so gut gefallen hat, dass ich es noch in Essen bei der Spiel 2022 direkt ausprobieren musste. Hier nun, wenn auch etwas später, meine Eindrücke:
Jeder Spieler erhält ein eigenes Tableau. Das zeigt seinen Planeten mit sechs Landschaften, Biome genannt, die es auch in Form von Karten mit Wiese, Blumen, Getreide, Felsen, Sumpf und Schnee gibt. Ziel ist es, Punkte bringende Bäume anzupflanzen. Gesetzt werden Sprößlinge, sie treiben aus zu einem kleinen Baum, der wiederum zu einem großen Baum heranwächst. Was so simpel klingt, wird durch zwei Hürden kreativ erschwert: die zu spielenden Karten und die Sonne.
Hürde eins: In der Auslage liegt immer nur eine Landschaftskarte mehr, als es Spieler gibt. Eine pro Runde wird gewählt und ausgeführt. Dafür wählt der Planetengärtner eine aus vier Aktionen: In dem gezeigten Biom dürfen drei Sprößlinge angepflanzt werden; aus zwei Sprößlingen oder kleinen Bäumen darf die nächste Wachstumsstufe werden; ein Sproß darf gesetzt werden und ein anderer Baum wachsen. Oder man setzt nur einen Sproß oder lässt einen Baum wachsen – dann in einem frei wählbaren Biom.
Bei „Evergreen“ wird aus einem Spross ein Baum
Zudem zeigen die Karten eine Fähigkeit, die der Spieler in einem beliebigen Biom nutzen darf: Spross pflanzen, kleinen oder großen Baum wachsen lassen, Busch pflanzen, See anlegen und Knospen zählen. Die Fähigkeiten sind auf dem Tableau mit kleinen lila Säulen gekennzeichnet. Je öfter man eine Fähigkeit nutzt, desto mehr kann man damit erreichen. Seen lassen zwei direkt angrenzende Bäume wachsen, Büsche sind hilfreich, um Waldteile miteinander zu verbinden, Knospen bringen direkt Siegpunkte, die auf dem Kreis um den Planeten zu ziehen sind.
Die Wahl der Karte entscheidet auch über den Startspieler der nächsten Runde. Wer anfängt, legt ein Holzblatt auf die dem Biom-Nachziehstapel am nächsten liegende Karte. Wer danach kommt, muss entscheiden, ob er seine Karte nur wegen Biom oder Fähigkeit wählt – oder Startspieler werden will. Dann hilft nichts, er muss die Karte mit dem Holzblatt nehmen. Das kann wichtig sein, um in der nächsten Runde die einzige ausliegende Jokerkarte abzugreifen, die es erlaubt, überall und nicht nach Biom begrenzt, zu pflanzen. Es kann aber auch ein Biom sein, das gerade so gar nicht in den Plan passt. Übrig gebliebene Biomkarten werden am Rand nach Landschaftsart sortiert gesammelt. Sie sind wichtig für die Schlusswertung.
Zwischenwertung zum Wechsel der Jahreszeiten
Wenn alle je fünf Biomkarten gespielt haben, endet die erste Jahreszeit. Die nächsten sind nach vier, drei und zwei Karten vorüber. Da wollen Fähigkeiten und Aktionen geschickt eingesetzt werden, um von immer weniger Karten zu profitieren.
Hürde zwei: Endet eine Jahreszeit, gibt es eine Zwischenwertung. Die Sonne, die zu Beginn am oberen Tableau-Rand in einer Vertiefung liegt, bescheint nun den Wald. Für kleine und große Bäume gibt es ein und zwei Punkte, wenn sie nicht im Schatten von anderen Bäumen stehen. Kleine Bäume werfen auf dem Feld dahinter einen Schatten, große Bäume zwei Felder. Zu den Zählern von unbeschatteten Bäumen kommen die für den größten zusammenhängenden Wald.
Die Sonne wandert um den Spielplan
Nach der Wertung wandert die Sonne im Uhrzeigersinn auf die nächste Seite des Tableaus, scheint also immer aus einer anderen Richtung auf den Wald. Und das macht den knobeligen Reiz von „Evergreen“ aus. Es ist so wichtig, genau zu überlegen, wann man wo welche Bäume wachsen lässt, um je nach Sonneneinstrahlung die meisten Punkte zu bekommen. Dem steht der Plan, auch einen großen zusammenhängenden Wald zu haben, entgegen – denn viele Bäume nah beieinander stehen logischerweise oft im Schatten.
Nach vier Jahreszeiten mitsamt Wertung folgt eine Schlusswertung. Nun kommen die am Rand sortierten Biomkarten ins Spiel. Auf ihnen sind ein bis drei Blumen zu sehen. Je Biomart zählen die Spieler die Blumen und multiplizieren sie mit den großen Bäumen auf der entsprechenden Landschaft. Das kann zum Ende nochmal richtig große Sprünge im Wettlauf um die meisten Siegpunkte bringen.
Das Zeug zum Evergreen im Spielregal
„Evergreen“ ist ein wunderbar durchdachtes Spiel in dem nichts zu viel und nichts zu wenig ist. Die Zeichnungen und das Material aus Holz und Karton passen prima zur Thematik und sind gut zu handhaben. Der Spielplan ist übersichtlich und gut strukturiert, zeigt Zugmöglichkeiten und Fähigkeiten rund um den Planeten. Der bemerkenswerte Mix aus Schlichtheit und Schönheit in der Optik brachte dem Spiel den „Graf Ludo 2023“ ein. Der Tüftelfaktor ist hoch, der Wiederspielfaktor auch. „Evergreen“ hat das Zeug zum „Evergreen“ im Spielregal.
Schreibe einen Kommentar