Tribes of the Wind: Meine und deine Karten

Die Menschheit hat’s mal wieder vergeigt und wohnt in „Tribes of the Wind“ in dem, was sie trotz immenser Umweltzerstörung übrig gelassen hat: in den Kronen hoher Bäume. Das klingt ein bisschen nach der „Overgrown“-Welt von „Planta Nubo“, hat damit aber nichts zu tun. Dennoch wollen wir auch hier Zerstörung reduzieren und Wohnraum wieder aufbauen in einem Kennerspiel für Einsteiger auf dem Niveau. Der clevere Dreh: Wir spielen nicht nur mit unseren eigenen Karten.

  • Autor: Joachim Thôme
  • Illustration: Vincent Dutrait
  • Spielerzahl: zwei bis fünf
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: 40 bis 90 Minuten
  • Lustige Startspielerbestimmung: keine
  • Verlag: Huch!

Fünf verschiedene Stämme stehen den Spielenden zur Auswahl, die jeweils einen eigenen Anführer mit bestimmten später ins Spiel kommenden Fähigkeiten haben. Jeder wählt einen Stamm, erhält das passende Spielertableau, auf dem Felder eines Rasters grau gefärbt sind. Dort landen Verschmutzungsmarker. Das verdeutlicht: Bevor wir hier wieder zufrieden leben, müssen wir erst mal aufräumen und sauber machen.

Kartenhalter mitgeliefert bei „Tribes of the Wind“

Auf dem Tableau finden wir aber noch mehr. Hier ist Platz für vier Tempel und fünf Dörfer genannte Baumhäuser. Außerdem stellen wir unsere sieben Windreiter bereit. In der Tischmitte liegen Waldplättchen, Dorf- und Elementkarten aus.

Versorgt mit fünf Handkarten, die wir in mitgelieferte Kartenhalter stellen, und Startressourcen, die wir dank unseres ersten Waldplättchens bekommen, geht es los.

Wichtig: Elementkarten ausspielen

Ein Spielzug folgt einer einfach Regel: Aktion ausführen, Karten ziehen. Allerdings steckt da deutlich mehr dahinter. Drei Aktionen stehen zur Wahl. Die meistgenutzte Aktion ist das Ausspielen von Elementkarten, die Vincent Dutrait mal wieder sehr schön illustriert hat.

Der Aufbau der Karten ist wichtig. Ein Symbol links oben zeigt das Element – Erde (grün), Feuer (rot), Wasser (blau), Licht. Licht? Zugegeben, es soll wohl Wind oder Luft sein, aber es ist gelb. Deshalb ist bei uns irgendwann Licht draus geworden. Aber aus Gründen der Logik bei Wind reitenden Stämmen bleiben wir mal bei Wind.

Voraussetzungen nur erfüllen, nicht bezahlen

Die untere Kartenhälfte zeigt zwei Felder. Das linke zeigt die Voraussetzung, das rechte den Effekt. Wichtig ist: Die Voraussetzungen sind keine Kosten, die bezahlt werden müssen. Wenn man eine Karte ausspielt, muss man die Voraussetzung nur erfüllen, dazu gleich mehr. Danach darf man den Effekt ausführen.

Zeigt das linke Feld beispielsweise zwei Flammen, muss ich zwei Karten mit dem Flammensymbol auf der Hand haben, um diese Karte spielen zu können. Auf manchen Karten sind diese Felder auch noch einmal unterteilt. Dann ist die oberer Reihe immer die günstigere, die aber auch weniger Nutzen bringt.

Besonderer Dreh: Karten der anderen einbeziehen

Voraussetzungen können sein, dass man selbst eine bestimmte Anzahl oder gar keine Karten eines Elements auf der Hand hat. Dritte Möglichkeit: Man muss jedes Element mindestens einmal auf der Hand haben – bei nur fünf Karten gar nicht so einfach.

Und dann wären da noch die Voraussetzungen, die die Rückseiten der Handkarten der Mitspieler mit einbeziehen. Denn die zeigen jeweils auch das Element, das vorne auf der Karte zu sehen ist. Das ist ein kreativer Dreh, der ein gutes Spiel noch besser macht. Dabei geht es immer um einen oder beide Nachbarn, im Spiel mit mehr als drei Personen beachtet man also nicht die Karten von allen Spielern.

Sehr gut gelungene Symbolik

Hier wirkt die bestens gelungene Symbolik, die an den allermeisten Stellen für sich selbst spricht. Es gibt verschiedene Kartensorten, die nach den Rückseiten von Mitspielerkarten verlangen. Bei zwei dieser Karten werden die Elementsymbole beim Spieler und seinen Nachbarn gezählt.

In beiden Fällen bestimmt die Anzahl der verlangten Elementsymbole auf unterschiedliche Weise die Stärke des Effekts. Bei zwei anderen Karten muss eine Spielerin jeweils mehr oder weniger Elementsymbole haben als einer oder beide Nachbarn. Eine weitere Karte verlangt, dass einer oder beide Nachbarn mindestens eine Karte eines bestimmten Elements besitzen.

Jedes Element bringt eigene Effekte

Eine Karte kann ich also nur ausspielen, wenn die Anforderung erfüllt ist, wobei das Element der ausgespielten Karte mitzählt. Das kann einen von verschiedenen Effekten auslösen: Licht-, äh, Windkarten erlauben es einer Stammesführerin, einen oder mehrere ihrer Windreiter entsprechend viele Felder auf dem Tableau zu bewegen.

Feuerkarten lassen einen Spieler Verschmutzungsmarker von seinem Tableau entfernen. Wasserkarten bringen Wassertropfen, die man sammeln sollte. Das geht auch in Kombination von Wassertropfen und Windreiterbewegung. Erdkarten erlauben es, Waldplättchen zu kaufen. Und ab hier greift all das ineinander und sorgt für zwingend nötige, strategische Planung.

Mit Windreitern Dörfer bauen0

Waldplättchen darf man nur senkrecht oder waagerecht angrenzend an bereits bestehende Waldplättchen anlegen. Davor muss eine Spielerin aber alle Verschmutzungsmarker von einem Feld entfernt haben – wo’s dreckig ist, wächst kein Wald.

Das Wasser wiederum bezahlen wir für ein Waldplättchen, die neuen Bäume wollen schließlich angegossen werden.

Windreiter springen in Baumkronen rum

Die Windreiter wollen zwei bis vier freie Felder auf den Waldplättchen besetzen. Ist auf die Art ein Waldplättchen voll besetzt, wird es umgedreht und ein Dorf, also Baumhaus, darauf errichtet.

Das ist die zweite mögliche Aktion einer Runde. Ein Dorf bauen ist also ein eigener Zug, nachdem im vorherigen Zug alle Windreiter-Felder gefüllt wurden.

Von Katapulten und Portalen

Das gebaute Dorf zieht Gebäudeboni nach sich. Die Windturbine erlaubt es, ein Dorf zu bauen, ohne die Luft drum herum zu verpesten. Denn fehlt die Turbine wandern ums neue Dorf senkrecht und waagerecht Verschmutzungsmarker auf freie Felder, die natürlich später wieder im Weg sind.

Mit einem Katapult kann ein Stammesführer einen Windreiter einmalig auf ein beliebiges Waldplättchen werfen. Noch netter ist das Windportal. Diese Landeplätze sind miteinander und mit der Hauptstadt (links oben im Eck des Tableaus) verbunden. Die Windreiter können von der Hauptstadt oder einem Portal zu einem beliebigen anderen Portal springen und so weiter entfernte Felder deutlich schneller erreichen.

Tempel bauen zur Kartenbereinigung

Für den Bau eines Dorfes belohnt sich eine Spielerin auch noch mit einer Dorfkarte. Die ist halbiert und zeigt auf der linken Seite eine zu erfüllende Bedingung für Siegpunkte am Spielende. Das können Positionen von Tempeln sein, Farben von Waldplättchen oder bestimmte Anzahlen von Turbine, Windportal oder Katapult. Die rechte Seite ist ein Soforteffekt, der beispielsweise Wassertropfen, entfernte Verschmutzungsmarker oder den Bau eines Tempels oder Waldes auslöst.

Apropos Tempel: Den baut ein Spieler normalerweise, indem er drei Karten abwirft. Das dient der Handkartenbereinigung, wenn die Anforderungen der Karten kaum erfüllbar scheinen, und ist die dritte mögliche Aktion.

Jeder Clan bringt eigene Anforderungen

Weil das noch nicht genug zu bedenken ist, hat jedes Spielertableau noch zwei zusätzliche Anforderungen. Je eine davon ist individuell. Die Anführerin des Feuerstamms verlangt beispielsweise, dass acht Felder frei von Verschmutzung sind. Die zweite Anforderung ist eine farbliche Abfolge von fünf Waldplättchen. Sie muss sich irgendwo aber aneinander angrenzend auf dem eigenen Tableau finden, wobei es keine gerade Linie sein muss.

Sobald eine dieser Bedingungen erfüllt ist, darf man sich eine von vier Anführerinnenkarten aussuchen. Die haben Effekte, die zu ihrem Hauptelement passen. Die Anführerin mit Feuerelement ist gut im Entfernen der Verschmutzungsmarker. Die Anführerin des Lichts, ja, ja: der Luft, dagegen kann für mehr Bewegung unter ihren Windreitern sorgen.

Gut verständliche Schlusswertung bei „Tribes of the Wind“

All das kann also innerhalb eines Zugs passieren. Am Ende eines Zuges zieht eine Spielerin wieder auf fünf Handkarten auf und der nächste ist an der Reihe. Das wiederholen wir, bis jemand sein fünftes Dorf gebaut hat und dafür das Spielendeplättchen mit fünf Siegpunkten erhält. Danach wird die aktuelle Runde fertig gespielt und es folgt noch eine komplette letzte Runde vor der gut aufzudröselnden Schlusswertung.

Punkte gibt’s fürs Spielende- und die Waldplättchen, Baumhäuser, Tempel und Geländefelder, die möglichst auch ohne Bebauung von Verschmutzung befreit sind. Dazu kommen die Zähler für erfüllte Bedingungen von Dorfkarten. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt.

Grandioses Spiel mit gelungenen Mechanismen

„Tribes of the Wind“ ist trotz der nicht ganz einfach zu durchschauenden Anleitung ein grandioses Spiel, das Anfänger auf Kennerniveau führt und zeigt, wie viel Spaß es machen kann, wenn Mechanismen wie Zahnräder ineinander greifen, sich gegenseitig bedingen und verstärken. Die Idee mit den Kartenrückseiten ist pfiffig, die Symbolik klar, die gesamte Illustration von Karten über Tableaus bis Anleitung wunderschön und detailverliebt – nur manchmal unklar in der Wahl der Farben je Element.

Von dieser Farbverwirrung abgesehen ist „Tribes of the Wind“ ein gern wieder hervorgeholtes Spiel, das übrigens auch noch mit Sonderregeln für ein Duo überzeugt.

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