Ein Wirtschaftsspiel, in dem Millionen verschleudert werden? In Auktionen ohne jedes Limit? Zugegeben, die Testrunde war angesichts des Themas und der Beschreibung skeptisch, wie unterhaltsam „Q.E.“ von Gavin Birnbaum wohl sein wird. Die Antwort: Sehr! Es braucht die richtige Gruppe am Tisch, aber dann kann das ungewöhnliche Spiel erstens großen Spaß machen, zweitens für ungeahnte Lacher sorgen und drittens eine ganz eigene Psychologie entwickeln – kurz gesagt: Es ist ein Erlebnis der anderen Spiel-Art.
„Q.E.“ steht für Quantitative Easing, zu Deutsch Quantitative Lockerung. „Es bezeichnet eine expansive Geldpolitik, in der eine Zentralbank neues Geld druckt, um Staatsanleihen oder andere Wertpapiere zu kaufen und so die Wirtschaft anzukurbeln.“ Das ist zu Beginn der Anleitung zu lesen. Und direkt dahinter: „Die Spieler repräsentieren verschiedene Nationen, die in der Finanzkrise im Jahr 2008 Gebote abgeben, um systemrelevante Unternehmen zu retten, die zu groß sind, als dass sie scheitern dürften.“

Ernstes Thema in unterhaltsamer Spielform
Das Thema hinter „Q.E.“ ist also ein durchaus ernstes. Wo wird Geld im großen Stil hineingepumpt? Und wo überlässt man der Konkurrenz den Zuschlag? All das führt uns zum Spielbeginn, zu dem jede Nation – EU, USA, Großbritannien, Japan und China – eine Gebots- und eine Wertungstafel sowie einen Stift erhält. Außerdem zieht jeder verdeckt eines der vier Spartenplättchen für Land- oder Finanzwirtschaft, Wohnungsbau oder Industrie.
Die Wertungstafeln sind auf der einen Seite für drei bis vier und auf der anderen Seite für fünf Spieler vorgesehen. Bei fünf Akteuren am Tisch gibt es weitere Unternehmen zu kaufen und die Regierung als fünfte Sparte.
Unternehmen bringen bei „Q.E.“ Siegpunkte
Objekte der Begierde der Nationen, für die Geld keine Rolle spielt, sind die Unternehmensplättchen, die ein bis vier Siegpunkte bringen können. Sie gehören einer Nation sowie einer Sparte an.
Der Spieler, der zuletzt in einer Bank war, ist Startspieler und beginnt die erste Auktion. Als Auktionator schreibt er auf seine Gebotstafel einen Geldbetrag. Und hier setzt das psychologische Momentum von „Q.E.“ ein: Den Geboten sind absolut keine Grenzen gesetzt.
Währung ist „Geld“
Da im Spiel keine Währung angegeben ist, nehmen wir „Geld“ als solche an. Wenn es einer Nation also beliebt, kann sie 37 Fantastilliarden Geld bieten, sofern sie weiß, wie viele Nullen dafür einzutragen wären.

Das Gebot des Auktionators wird offen in die Tischmitte gelegt und alle anderen Spieler tragen verdeckt ebenfalls einen beliebigen Betrag auf ihrer Tafel ein.
Nur Auktionator sieht alle Gebote bei „Q.E.“
Nur der Auktionator sieht die Gebote von allen und vergleicht sie mit seinem. Das höchste Gebot trägt er auf der Rückseite des Unternehmens ein. Dann erhalten alle ihre Tafeln zurück. Der siegreiche Bieter bekommt das Unternehmen, ohne dass die anderen Spieler erfahren, was er geboten hatte. Direkt nach dem Kauf können Siegpunkte, Nation und Sparte des Unternehmens auf der Wertungstafel eingetragen werden. Das erleichtert die Schlusswertung.
Danach ist der nächste Spieler Auktionator und gibt ein Startgebot ab. Nacheinander kommen so alle Unternehmen unter den Hammer. Und des öfteren liest ein Auktionator die Gebote der Mitspieler und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „Selten waren Zahlen offenbar so lustig“, fällt prompt am Spieltisch. Das resultiert oft aus sehr unterschiedlichen Geboten. Denn wenn Japan die chinesische Industrie nicht will und deshalb auf das Startgebot von 133.000 Geld mit spärlichen fünf Geld antwortet, die USA aber Industrie-Unternehmen sammeln und deshalb mal schnell 300.001 Geld locker machen, ist das schon ein wenig skurril.

Verzockt sich gar der Auktionator selbst?
Ganz leicht verzockt man sich, weil man denkt, die anderen bieten bestimmt weniger. Oder der Auktionator selbst verschätzt sich, weil er den Preis zu hoch angesetzt hat und ihn dann am Ende mangels eines höheren Gebots selbst bezahlen muss. Und das ist die nächste Stelle, an der „Q.E.“ seine sehr spezielle Psychologie entwickelt. Denn am Ende gewinnt zwar, wer die meisten Punkte gesammelt hat. Aber nur,wenn er nicht zugleich das meiste Geld ausgegeben hat.
Also grübelt man bei jedem Gebot, wie viel die anderen wohl schon verschleudert haben. Dann schaut man wieder unter die schon gekauften eigenen Unternehmen und überschlägt, wie viel Kohle man selbst schon pulverisiert hat. So bleibt es bis zum letzten Unternehmen spannend, wer wohl am Ende wegen der höchsten Ausgaben aus dem Spiel fliegt.
„Q.E.“ ist alles, außer gewöhnlich
Die anderen nehmen zur Schlusswertung ihre Wertungstafel: Jede Nation erhält Punkte für Unternehmen aus dem eigenen Land, die erfolgreich gerettet wurden. Weitere Zähler regnet es für Monopole und Diversifikation im eigenen Portfolio. Heißt, es gibt Punkte für möglichst viele Unternehmen aus nur einer oder aus möglichst unterschiedlichen Sparten. Dazu kommen die Siegpunkte der Unternehmen selbst.

„Q.E.“ ist alles, außer gewöhnlich. Es ist ein besonderes Spiel, dass die Runde voll und ganz überzeugt hat, nicht nur dank der abwischbaren Gebots- und Wertungstafeln, die das Hantieren mit Blocks oder Radiergummi unnötig machen. Die Suche nach Balance zwischen dem Risiko der zu hohen Ausgaben am Ende und dem gerade noch hoch genug gewesenen Gebot für das Unternehmen, das in der Diversifikation für die Höchstpunktzahl gefehlt hat, ist äußerst spannend und anspruchsvoll. Man kommt vom ständigen „Wie schätze ich die Gebote der Mitspieler ein?“ zum permanenten „Will ich wirklich noch mehr bieten?“ und wieder zurück und hat eine geradezu diebische Freude dabei.
Spielverlauf entwickelt immer wieder eigene Dynamik
Vor allem, wenn man zum Schluss sieht, wo man richtig lag und deshalb die meisten Punkte eingeheimst hat. Und ja, es macht tatsächlich einen Unterschied, ob man mit 2097 oder 12,3 Millionen Geld als Gebot einsteigt, das Spiel entwickelt jedes Mal eine andere Dynamik. Der Verlag „Strohmann Games“ hat mit „Q.E.“ ein grandioses Spiel in sehr guter Ausstattung auf den deutschen Markt gebracht, dass alle anfängliche Skepsis beiseite gefegt hat und völlig zu recht auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres 2023 stand. Zum Ersten? Zum Zweiten? Zum Dritten? Gekauft!
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