Campus Galli: In tollem (Bau-)Werk steckt viel drin

Ein Spiel über den Aufbau eines Klosters? Das ist thematisch eigentlich nicht meins. Dann haben wir „Campus Galli“ ausprobiert. Und waren begeistert. Von einem tollen, unglaublich variablen Polyomino-Puzzle mit Tiefgang, das mit Familien- und zwei Kennerspielvarianten daher kommt, die jeweils auch noch kooperativ oder kompetitiv spielbar sind. Das muss man erst mal alles in eine Spielschachtel bringen – Respekt! Dementsprechend wird der Beitrag hier auch etwas länger. Es gibt einfach richtig viel zu sagen über ein herausragendes Spiel.

  • Autor: Steffen Bogen
  • Illustration: Harald Lieske
  • Spielerzahl: zwei bis vier
  • Alter: ab zehn Jahren
  • Dauer: 60 Minuten
  • Lustige Startspielerbestimmung: keine
  • Verlag: Huch!

Machen wir dank der Anleitung einen kurzen Ausflug in die Geschichte: Von 819 bis 826 ist einer der ältesten Architekturpläne der Welt für das Kloster St. Gallen entstanden. Das wertvolle Pergament ist gut behütet und wegen der lichtempfindlichen Tinte immer nur kurze Zeit zu sehen.

„Campus Galli“ bringt Geschichte auf den Spieletisch

Wer sich dennoch mit den Plänen und vor allem mit dem beschäftigen möchte, was die Menschen damals errichten wollten, hat in der karolingischen Klosterstadt Meßkirch die Gelegenheit dazu. Denn dort bauen Ehrenamtliche, Freiwillige und Handwerker mit historischen Arbeitstechniken einen neuen Klosterkomplex auf. Die Mittelalterbaustelle „Campus Galli“ ist namengebend für das Spiel. Es taucht in diese Welt ein und bringt die Historie, den Pergamentplan und die Klosterbaustelle auf den Spieletisch.

Und das ist dann schon wieder so faszinierend, dass man doch einen sehr viel näheren Blick darauf werfen will – und kann, denn die knapp die Hälfte der Anleitung ist die Entstehungsgeschichte des Spiels in Verbindung mit dem Klosterplan und der Baustelle. Beteiligt waren unter anderem Hannes Napierala, Leiter der Klosterbaustelle, Cornel Dora, St. Gallener Stiftsbibliothekar, und Elke Larcher, Museumsleiterin des Stiftsbezirks St. Gallen. Mit vor Ort waren auch Huch!-Chef Stefan Stadler, Autor Steffen Bogen, der Kunsthistoriker ist, und Illustrator Harald Lieske. Sie alle arbeiteten zusammen an der Entstehung des ungewöhnlichen Spiels.

In drei Leveln ein Kloster bauen

Wie nah ist es am originalen Plan? Die Anzahl der Gebäude reduziert – aus Spielzeitgründen. Doch die vorgeschlagene Anordnung ist grundsätzlich erhalten geblieben. Also: Legen wir los, lasst uns ein Kloster bauen! Das können wir in drei Leveln, die unterschiedliche Karten mitbringen.

Im ersten errichten wir „nur“ die Gebäude, erst aus Holz und dann aus Stein. Im zweiten ziehen Bewohner ins Kloster ein und wir bestücken unsere Bibliothek, ehe wir ins im dritten mit Gefahren und unerwarteten Ereignissen herumärgern. In allen drei gilt: Wir müssen die Aufgaben von Abt oder Äbtissin erfüllen, um siegreich zu sein.

Auf Spielplan liegen Teile des Pergamentplans aus

Fangen wir mit Level eins an. Zuvor müssen wir aber noch einiges bereitlegen: Der Spielplan ist bedeckt mit Teilen des Pergamentplans für die Klostergebäude. Nur wenige sind bereits auf die Baustellenseite gedreht. Sie zeigt Wiesenfelder und gelbe Gebäudeteilen mit farbigen Symbolen in Rot, Gelb, Grün und Blau.

Aufgabenkarten liegen ebenso bereit wie zwei mal 20 Polyomino-Bauteile, die ebenfalls je eine der vier Farben zeigen. Die eine Hälfte bildet als sogenannte Bauhütte eine Auslage (im Foto oben rechts), die andere landet im Betsäckchen genannten Stoffbeutel.

Aktionskarten ziehen und wählen

Jeder Spieler erhält ein Planungstableau, 15 Meeple und einen Stapel verdeckter Aktionskarten – wie viele ist abhängig von der Anzahl der Spieler. Gleiches gilt für die Menge an Aufgabenkarten die auf der Aufgabenleiste liegen.

Gleichzeitig ziehen alle die obersten beiden Aktionskarten und wählen eine davon verdeckt aus, die andere kommt auf einen Ablagestapel auf dem eigenen Tableau.

Zahl auf Karte legt Reihenfolge fest

Alle drehen ihre gewählte Karte um. Die Zahl darauf legt fest, wer zuerst dran ist, je kleiner die Zahl desto früher. Die roten Karten gewähren Zugriff auf Teile bestimmter Farbe aus der offenen Auslage der Bauhütte. Bei blauen Karten sind Formen der Bauteile vorgegeben, man muss die passende im Betsäckchen ertasten und auf die richtige Farbe hoffen.

Für das Legen des Bauteils gibt es Regeln: Gebaut werden kann nicht auf der Pergamentseite der Bauplanteile. Bauteile dürfen nicht auf Bauteilen oder Bäumen liegen. Sie können aber Holzgebäude über Grenzen der Klosterplanteile miteinander verbinden. Mindestens ein Feld des Bauteils muss ein Feld eines gelben Holzgebäudes abdecken, man darf aber auch auf Wiesenfeldern bauen.

Baumeister bringt Punkte

Letzteres will man aber möglichst vermeiden. Denn wenn das Bauteil komplett auf einem Holzgebäude und keinem Wiesenfeld liegt und außerdem ein Symbole der Farbe des Bauteils überdeckt, wandert eine eigene Figur als Baumeister auf dieses Bauteil. Das bringt am Ende Punkte.

Zum Schluss prüft der Spieler noch, ob er mit dem gerade gelegten Teil eine Aufgabe erfüllt hat. Die Karten verlangen bestimmte oder beliebige Bauteile in gewissen Abschnitten des Klosters oder Kombinationen von Formen und Farben, die angrenzend liegen sollen. Sobald ein Spieler eine Karte im Laufe des Spiels erledigt, nimmt er die Karte zu sich und füllt die Aufgabenleiste wieder auf. Jede erledigte Aufgabe bringt am Ende ebenfalls Punkte. Zeigt eine Aufgabenkarte einen bestimmten Teil der Baustelle in Form eines Buchstaben, dürfen die Spieler diesen Pergamentplan umdrehen auf die Baustellenseite.

Faule Mönche als „Problem“ bei „Campus Galli“

Sobald ein Bauteil das letzte freie Feld eines Holzgebäudes abdeckt, darf ein weiterer Teil des Pergamentplans auf die Baustellenseite gedreht und auf der Wiese ein weiterer Baumeister platziert werden.

Das Baustellenleben wäre einfach, wären da nicht die faulen Mönche… Die tauchen auf, wenn ein Bauteil so liegt, dass eine Lücke von drei oder weniger Feldern eines Holzgebäudes entsteht. Das ist nicht immer zu vermeiden und im Nachgang auch wieder zu beheben. Sobald man ein Bauteil auf die übrigen Felder platziert oder sie durch das Drehen eines Planteils auf die Baustellenseite wieder vergrößert, verschwindet der faule Mönch wieder.

Zwei Jahre bauen am Kloster

Wir bauen so lange weiter am Kloster, bis wir die Aktionskarten, die in der Auswahlphase auf dem „Nächstes Jahr“ genannten Ablagestapel gelandet sind, ein zweites Mal durchgespielt haben.

Danach ist jeder Baumeister und jede Aufgabenkarte ein Siegpunkt, jeder faule Mönch ein Minuspunkt. Wer die meisten Zähler hat gewinnt.

Neue Karten für Level zwei

In Level zwei kommen zu den roten und blauen noch gelbe und grüne Aktionskarten und zusätzliche Aufgabenkarten hinzu. Außerdem gibt es Jokerbauteile mit weißem Symbol im Betsäckchen und 48 Plaketten in den vier Symbolfarben.

Weil man deutlich mehr Aktionskarten hat, zieht man zum Zugbeginn drei statt zwei, wählt aber immer noch eine aus und legt den Rest aufs „Nächste Jahr“. Auch am gleichzeitigen Umdrehen und der daraus resultierenden Zugreihenfolge ändert sich nichts.

Aktionen kosten Plaketten bei „Campus Galli“

Neu ist jetzt aber, dass jede Aktion ein bis zwei farblich passende oder beliebige Plaketten kostet, manche bringen selbige aber auch als Belohnung mit, wenn man sie ausspielt.

Mit rot und blau wird weiterhin gebaut. Für passendes Bauen erhält man aber keine Baumeister mehr. Stattdessen gibt es Plaketten in der Farbe des gelegten Bauteils und zwar immer auf jeden Fall eine. Wenn man nicht auf Wiesenfeldern baut, zusätzlich eine weitere für jedes überdeckte Symbol gleicher Farbe.

Gäste und Bücher fürs Kloster

Gelbe Karten bringen Gäste ins Kloster, grüne Karten Bücher in die Bibliothek. Sowohl gelbe als auch grüne Karten bringen ganze oder halbe Siegel mit, die am Ende wieder Siegpunkte bedeuten. Außerdem potenziert sich ihr Effekt, Plaketten mitzubringen.

Wer bereits Bücher und Gäste im Kloster hat und eine weitere Karte ausspielt, kann insgesamt die Belohnung von zwei Büchern beziehungsweise drei Gästen erhalten. Um das nachvollziehen zu können, sammelt jeder seine ausgespielten Aktionskarten sortiert auf dem Spielertableau.

Besucher können Freude mitbringen

Jedem Gast ist ein Gebäude zugeordnet. Ist es bereits in Holzbauweise errichtet, zieht der Gast dort ein – in Form einer Spielfigur.

Ist es sogar als Steingebäude vollendet, bringt der Gast einen Freund mit, also noch einen Meeple und damit zwei Siegpunkte am Spielende.

Erweiterte Wertung in Level zwei von „Campus Galli“

Das Umdrehen von Pergamentplänen zu Baustellenteilen kostet übrigens jetzt ebenfalls Plaketten und geschieht nicht mehr automatisch durch das Fertigstellen eines Klostergebäudes. Trotzdem darf danach ein Baumeister darauf gesetzt werden.

Außerdem stehen jedem Spieler Sonderaktionen zur Verfügung, die man nicht vergessen sollte. Denn gerade die Möglichkeit, bestimmte Bauplättchen zu kaufen oder zu ziehen, kann die Rettung auf der Jagd nach Siegpunkten sein.

Siegpunkte sammeln auf viele Arten

Auch dieses Level endet, wenn die Aktionskarten zum zweiten Mal durchgespielt sind. Zur Wertung aus Level eins kommen die Siegpunkte von Büchern, Gästen und Aufgabenkarten hinzu.

Außerdem bringen je drei übrige Plaketten gleicher Farbe oder ein Set von allen vier Farben je einen weiteren Zähler.

Level drei: Baustelle droht Ungemach

Kommen wir zu Level drei, das weitere Aktionskarten und Aufgabenkarten mit sich bringt, außerdem Farbwürfel, eine Tafel für unerledigte Aufgaben und ein Absperrband.

Unter die Aufgabenkarten haben sich Ereignisse gemischt, die tendenziell eher unerfreulich sind: Feuer, Seuche, Einsturz, Unwetter oder Baustopp. Die Spieler können teilweise, aber nicht immer Plaketten bezahlen, um Schaden – Verlust von Büchern oder Gästen oder gebauten Gebäuden – zu vermeiden und dafür Siegpunkte in Form von „Guter Zusammenarbeit“-Karten bekommen. Die Ereignisse machen es trotzdem deutlich schwieriger, am Ende auf möglichst viele Siegpunkte zu kommen – gerade im kooperativen Modus.

Geänderte Regeln für kooperatives Spiel

Dazu jetzt mehr. In allen drei Level gilt: Im kooperativen Spiel dürfen sich die Spieler jederzeit absprechen – nur nicht über ihre genauen Kartenwerte und -effekte. Sie planen und bauen gemeinsam. Bei der Schlusswertung am Ende bringen Planteile, die noch auf der Pergamentseite liegen, und Baulücken, die größer als drei Felder sind, weitere Minuspunkte. Am Ende können sie ihre gemeinsam gesammelten Punkte dank einer Tabelle werten.

In Level eins und zwei heißt das: Unter 40 Punkte sollten sie es nochmal versuchen, bis 45 Punkte haben sie das Level gewonnen, ab 46 Punkten haben sie sich fürs nächste Level qualifiziert. Deutlich höher geht es mit den Punkten in Level drei, hier ist unter 70 Punkte die Grenze, bis zu der man es nochmal versuchen sollte. Schaffen die Spieler aber 78 oder mehr Zähler, gehen sie in die Annalen der Klostergeschichte ein. Da schreibt dann bestimmt jemand ein schönes Buch drüber, dass dann ein Gast in unserer Bibliothek lesen kann.

Großartig, vielschichtig, rundum gelungen: „Campus Galli“

„Campus Galli“ ist schlichtweg großartig. Das Spielprinzip an sich ist schon gut, die Vielschichtigkeit, die die Level zwei und drei mitbringen, ist herausragend. Alle Mitspielenden, ob vom Thema angesprochen oder nicht, wollten noch eine Runde und noch ein Level spielen, wobei besonders die kooperative Variante ankam. Es macht einfach Spaß, gemeinsam auszutüfteln, wie die Gruppe am geschicktesten vorgeht, um die meisten Punkte zu ergattern. Das Material ist toll, die Zusatzinformationen sind interessant und umfassend. Und dann ist es auch noch prima an mehreren Stellen an die Anzahl der Spielenden am Tisch anpassbar. Das bleibt auf jeden Fall im Regal und kommt immer wieder auf den Tisch.

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